Text: Zeynep Disbudak & Burçin Tetik
Fotografie: Zeynep Disbudak
„Fühlt es sich irgendwie anders an?“ fragte ich Burçin, als ich mich auf die Reise begab, die sie auf dem Papier bereits abgeschlossen hatte, während ich Angst hatte, die wichtigste Frage zu stellen: „Wird es sich jemals anders anfühlen?“ Daraufhin beschlossen wir, den Weg zu gehen, den sie jedes Jahr gegangen ist, bis sie ihre Staatsbürgerschaft erhalten hat.
Wir haben einen Tag damit verbracht, vor der Ausländerbehörde zu sitzen, unter dem Baum, dessen Schönheit und Majestät wir bei unseren regelmäßigen nächtlichen Besuchen dort nicht wahrgenommen hatten; über die Brücke zu gehen, die uns und die Ausländerbehörde mit dem Rest von Berlin verbindet, und auf den Stufen des Bürgeramtes zu plaudern. Jeder dieser Orte ist ein Teil unserer Geschichte in diesem Land. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verflechten sich, und so auch unsere Reisen, wobei wir manchmal vergessen, wo ihre endet und meine beginnt, wo sie sich treffen und wo sie auseinandergehen. Über diese Reisen zu sprechen, ist wie das Öffnen einer Dose Würmer: es ist schmerzlich notwendig, neigt aber auch dazu, zu einem Teufelskreis zu werden, der dich mit der Frage zurücklässt: „Wird das jemals enden?“
Am Ende des Tages sind wir gemeinsam den Weg gegangen, den wir sonst immer getrennt gelaufen sind – sowohl um uns zu entlasten als auch um eine Unterbrechung eben dieses Kreislaufs zu finden. Lange bürokratische Rede, kurzer Sinn: Wir haben ein paar Fotos gemacht, ein paar Worte geschrieben und laden euch nun ein, ein Teil eben dieser Reise zu sein.
BT: Die Brücke hat mich in den letzten zehn Jahren zur Ausländerbehörde geführt. Wie jede Brücke hat sie zwei Seiten: Sie verbindet meine Reise mit dem anderen Ende, oder vielmehr, ist sie die Reise selbst. Ich verlasse die Brücke mit Visumsverlängerungen, Schamschweiß, dem Gefühl, nicht gut genug für Almanya zu sein.
Die Brücke und die damit verbundene Reise fühlen
sich wie ein Kreis an, unendlich, unausweichlich – bis ein neuer Stempel in meinem Pass mich von der Brücke wirft. Der Kreislauf endet. Aber tut er das jemals wirklich?
ZD: Ich bin ein paar Jahre nach dir nach Berlin gekommen. Ich habe diese Ausländerbehörde mit 1 nummeriert, weil ich nach meinem ersten Aufenthaltstitel dort zu der anderen in Charlottenburg gehen musste. Aber trotzdem bleibt die Erinnerung daran. Ich erinnere mich, wie ich einen Monat nach meinem Umzug nach Berlin, in einer kalten Spätnovembernacht, wie von meinen erfahrenen Freunden empfohlen, früh um 3 Uhr nachts das Haus verließ und im U-Bahnhof Rosenthaler Platz von einer obdachlosen, „die-Welt-hat-sie-verrückt gemacht“ Frau verfolgt wurde, die mir „Hure“ hinterher schrie – dank der ich meinen Morgensport gemacht hatte und bereits aufgewärmt am Bahnhof Amrumer Straße ankam. Erst als ich diese Brücke überquerte und mitten in der Nacht auf der Straße vertraute Gesichter, genau wie meins, sah, bekam ich dieses sichere und vertraute Gefühl, das mir Kraft für den Rest der 8-stündigen Visareise gab.
ZD: Wie sehr ich mir wünsche, dass dieser Eingang für immer frei bleibt. Frei von Menschen, die vor dieser Tür warten, frei davon, behandelt zu werden wie … (fülle die Lücken aus, wie du möchtest). Frei zu sein wie sie, wie ich und wie du.
BT: Die zwei Mythen des Rassismus: „Immigrant*innen sind faul und arbeiten nicht“ und „Sie stehlen unsere Jobs“.
Für die Aufenthaltsgenehmigung bist du so viel wert wie dein Bankkonto.
BT: 3 Uhr morgens. Ich stehe bereits in der Warteschlange. Ich bin nicht die Erste, die an dem grauen Gebäude ankommt, nicht einmal die Zehnte. Ein mexikanischer Arzt kommt als nächster an. Wir teilen Geschichten, wir teilen Cracker und die Kälte. Der eisige Wind brennt mir in den Augen und im Hals. Ich warte.
ZD: Ich frage mich, wer die Idee für dieses Bild an dieser Wand hatte. Wusstest du, dass es von Grundschulkindern gemalt wurde? Ich frage mich, wie ihre Lehrer*innen sie angeleitet haben, was genau sie ihnen gesagt haben. Ich fühle mich wie die Einzelgängerin auf der rechten Seite des Gemäldes mit der roten Baskenmütze(?!), die sich an den Laternenpfahl lehnt und auf all die Absurditäten in dieser verrückten Stadt schaut. Manchmal bedeutet mir sogar das „Gewinnen“ einer neuen Genehmigung, um ein weiteres Jahr hier zu bleiben, nichts mehr.
BT: „Sie müssen uns verklagen, wenn Sie ein gepunktetes İ auf Ihrem Ausweis haben wollen“
Aus meinem Namen wird etwas anderes auf Deutsch. Die Frau sagt, wenn mir mein Name so wichtig wäre, hätte ich türkische Staatsbürgerin bleiben sollen. Ich werde nicht weinen, nicht vor ihr. Das Namensschild an ihrem Hemd schwingt hin und her, wenn sie sich bewegt, und verbirgt ihren türkischen Namen.
ZD: Ich habe gerade festgestellt, dass es in meinem Fall genau das Gegenteil ist! MEIN FESTSTELLTASTE-AN-NACHNAME BESTEHT DEN TEST ALS EINGEBÜRGERTES MODELL, jedoch nicht die Feststelltaste-aus-Version. Schon fange ich an zu grübeln, was ich mit dem unglücklich kleingeschriebenen „ı“ in meinem Nachnamen machen soll. Oder vielleicht sollte ich einfach einen anderen Nachnamen wählen. Was hältst du von „Müller“, oder besser noch „Mueller“? No risk no fun?
Spaß beiseite, ich wünsche mir nur, dass ich am Ende dieser Reise dein dröhnendes Lachen habe.