An einem kalten, aber sonnigen Morgen dieses Berliner Winters verzückte uns Martin Marion, Schauspieler, Musiker und Komponist, mit seiner Stimme und seiner Gitarre. Martin kombiniert seine Kompetenzen als Theater- und Filmschauspieler mit seiner Fähigkeit zu komponieren, um kleine, transformative Fakten des Lebens zu reflektieren. Mitten in der Pandemie, in einer einsamen Bibliothek, zwischen den Bücherregalen, erinnerte er uns daran, dass wir das Leben mit Freude füllen können, egal wie schwierig die Situation sein mag.
Wir laden euch ein, unser erstes Regal-Konzert anzuschauen und das Interview zu lesen, das wir mit Martin geführt haben.
Interview von Alvaro Martinez
Fotos von Luiza Folegatti
Erzähl uns von dir
Ich wurde in Slowenien geboren, bin Slowene und lebe jetzt in Berlin, in Deutschland, was mich eigentlich zu einem doppelten Immigranten macht. Doppelt, weil ich mit 23 Jahren von Slowenien nach Amerika gezogen bin, nach Los Angeles, um Schauspiel zu studieren. Ich habe einen Abschluss in Schauspiel, bin also von der Ausbildung her ein Schauspieler, kein Musiker. Meine letzte Ausbildung ist ein MFA [Master of Fine Arts] am National Theater Conservatory in Denver. Und von dort bin ich nach Deutschland gezogen und zum zweiten Mal eingewandert. Ich habe 14 Jahre in den USA gelebt und jetzt lebe ich schon 14 Jahre in Berlin.
Du bist also hauptsächlich Schauspieler?
Ja. Ich spiele gelegentlich Gitarre. Ich habe in Slowenien etwa 8 Jahre klassisches Gitarrenspiel gelernt.
Und wie lange komponierst du schon Musik?
Ich würde es nicht komponieren nennen, denn meistens spiele ich einfach nur. Ich bin wie ein Singer-Songwriter, spiele ein paar Akkorde und eine Melodie, und für mich ist der Text normalerweise wichtiger als die Musik. Meine Musik ist meist sehr einfach. Ich habe mit slowenischen Kinderliedern angefangen, eine CD und ein illustriertes Buch mit slowenischen Kinderliedern veröffentlicht. Das war mein größtes Musikprojekt. Ihr könnt es auf Spotify, Deezer, Apple Music, überall finden. Es heißt „Zmajek Drago in ljubljena Ljubljana“, und es ist eine Sammlung von Liedern über einen kleinen Drachen, der in meiner Heimatstadt Ljubljana herumfliegt. Das erste dieser Kinderlieder habe ich vor etwa 30 Jahren geschrieben.
Was sind deine Inspirationsquellen, und wie gehst Du vor, wenn du Musik komponierst?
Das ist schwer zu sagen, denn jedes Lied hat einen anderen Ausgangspunkt. Meine größte Inspirationsquelle ist wahrscheinlich das Publikum. Ich habe das Gefühl, dass ich immer für ein Publikum schreibe, und wenn ich keins habe, was bei einem neuen Song meistens der Fall ist, dann stelle ich mir eins vor. Die Songs entstehen auf unterschiedliche Weise. Normalerweise fängt es mit einem Text an und der Entstehungsprozess basiert mehr auf den Worten als auf der Musik. Manchmal ist zuerst die Melodie da, aber meistens ist es ein kurzer Text, der zu einer Melodie wird. Dann muss ich den Text auf der Grundlage dieser Melodie fertigstellen. So läuft es meistens ab, würde ich sagen.
Erzähl uns von den drei Liedern, die du für unser Konzert in der Bibliothek gesungen hast.
Ich habe alle drei Lieder in Berlin geschrieben, nachdem ich von Amerika hierhergezogen bin. Irgendwie hatte ich ein paar Jahre diese Phase, in der es für mich wichtig war, Songs zu schreiben. Also in dieser Zeit habe ich mehr geschrieben als davor oder danach.
Die ersten beiden sind von kleinen Wortspielen inspiriert: „bald“ [kahl] im Englischen und das deutsche „bald“ werden gleich geschrieben, bedeuten aber unterschiedliche Dinge. Und dieser Fehler, den Deutsche oft machen, wenn sie etwas leihen wollen: „Can you borrow me?“ [wörtlich: Kannst du mich leihen?] schien mir geeignet, einen weiteren Song zu schreiben. Als ich nach Deutschland zog, sprach ich Englisch und lernte Deutsch, also waren das die Themen, die in dieser Zeit aufkamen.
„A Loan“, der Song über die falsche Frage des Ausleihens, wurde ganz von selbst zu einem Liebeslied, ohne dass ich es merkte. Ich folgte schlicht dem Reim, den Worten und der Melodie.
„Bald from behind“ war einfach ein Lied über die Tatsache, dass ich von hinten eine Glatze bekomme. Ich dachte, dass es schön wäre, darüber zu singen, und da ich schon in Deutschland lebte, fand ich diese Ähnlichkeit im Klang von „bald“ auf Englisch und „bald“ auf Deutsch. Das erschien mir interessant. Es wurde ein sehr kurzes Lied, mehr ein Scherz als ein Song.
„Goodbye“ ist ein Lied, mit dem ich jedes Mal ende, wenn ich auftrete, weil es ein Abschied ist, wie um zu sagen: „Hey, das ist das Ende! Goodbye! Und übrigens: wir sterben sowieso alle.“ Es wurde dann das Endstück von zwei Projekten. Das eine ist das „Anyway Cabaret“, ein Theaterstück, das ich geschrieben habe und das wir schon einmal in Chicago aufgeführt haben. Es endet mit dem “Goodbye” Lied. Das andere Projekt heißt selbst “Goodbye”. Es ist eine Sammlung von Liedern und kleinen Geschichten über das Sterben und endet auch mit genau diesem Lied. Ich habe es also als Einzelstück geschrieben, aber es wurde Teil anderer Projekte.
Schau dir Martin’s Projekte hier an: patreon.com/martinmarion martinmarion.net