Teilnehmende Beobachtung bei „Lena Nails“

Paul Gredig

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Bei diesem Dokument handelt es sich um Original-Forschungsmaterial, das nicht übersetzt und nicht lektoriert wurde.

„Lena Nails“ ist ein Nagelstudio in der Hochstraße 44 im Stadtteil Wedding. Ich wohne in der unmittelbaren Nachbarschaft und komme seit Jahren täglich an dem Geschäft vorbei, dennoch kenne ich die Menschen, die in dem Nagelstudio arbeiten, lediglich vom Grüßen auf der Straße. Am Montag morgen, um 09:45 – 15 Minuten nach Ladenöffnung – betrete ich das Studio und frage den Inhaber (Gan), ob ich noch am selben Vormittag eine teilnehmende Beobachtung durchführen darf. Gan erkennt mich als Nachbarn und willigt herzlich ein.

Zu diesem Zeitpunkt sind drei Personen im Geschäft: Gan (der Inhaber), ein junger Angestellter (Tung) und eine ältere Frau im Rentenalter, die sich von Tung die Fingernägel pflegen und lackieren lässt. Das Nagelstudio besteht aus einem ca. 2,5 x 5 Meter großen Raum, in den man durch das große Schaufenster und die Glastür von Aussen reingucken kann. An der linken und rechten Seite des Raumes sind auf einer Fläche von jeweils ca. 2,5 x 1 Meter Spiegelfliesen an den Wänden angebracht, in der Mitte steht ein Tisch, an dem zwei Kund*innen gleichzeitig Platz nehmen können (Laut Gan sind mehr als 90 % seiner Kund*innen weiblich). Auf dem Tisch stehen mehrere Produkte und Werkzeuge, die zur Maniküre und zum Lackieren der Fingernägel benötigt werden. Für die Arme der Kund*innen sind Polster auf dem Tisch angebracht, in der Tischmitte steht jeweils eine Lampe, die aus ca. 50 cm Abstand auf die Hände strahlt und so genügend Licht zum Arbeiten garantiert. Gegenüber von den Kund*innen sitzen die Nageldesigner. Hinter dem Tisch, in der Ecke des Raumes, steht ein großer schwarzer Ledersessel für die Pediküre. Über einen Computer wird ruhige, vietnamesische Musik abgespielt. Es ist sauber hier, aber viele Dinge sehen so aus, als würden sie schon seit langem benutzt werden. Insgesamt ist es eher spartanisch und zweckorientiert eingerichtet. Im Internet habe ich nach Nagelstudios in Berlin gesucht und die Studios, die als die Besten Berlins angepriesen werden, sind regelrechte Wellness-Oasen: modern, hell und eingerichtet wie ein Spa-Hotel. „Lena Nails“ gehört offensichtlich nicht zu dieser Kategorie Nagelstudio.

Gan erzählt mir, dass er einen Angestellten (Tung) beschäftigt und das seine Frau, die auch berufstätig ist, ab und zu bei ihm im Laden aushilft. Er, seine Frau und Tung sind in Vietnam geboren. Gan spricht gebrochenes deutsch, Tung spricht kaum deutsch. Gan lebt seit ungefähr 20 Jahren in Deutschland, davon die gesamte Zeit in Berlin. Vor 15 Jahren hat er angefangen, in einem Nagelstudio zu arbeiten und seit ungefähr 5 Jahren betreibt er mit „Lena Nails“ sein eigenes Nagelstudio (das er von einer Freundin unter diesem Namen übernommen hat). An der Wand hängt ein Zertifikat aus dem Jahr 2013, dass ihm die erfolgreiche Teilnahme an einem Crashkurs zum Nageldesigner bescheinigt. Daneben hängen Fotos von seinen vier Kindern, die zwischen 16 und 6 Jahren alt sind.

Die ältere Frau, die sich ihre Nägel machen lässt, erzählt mir, dass es ihr in erster Linie um die Pflege ihrer Fingernägel geht, da diese schnell einreißen und abbrechen würden. Sie ist seit Jahren Stammkundin bei „Lena Nails“ und kommt regelmäßig im Abstand von ungefähr 6 Wochen. Ihre Sitzung am heutigen Tag meines Besuches dauert über eine Stunde. Um das Pflegen und Lackieren ihrer Nägel kümmert sich Tung, zum Nageldesign (verzieren der lackierten Fingernägel mit feinen Linien) übernimmt Gan, der Inhaber. Sie bekommt keine künstlichen Fingernägel aufgeklebt, ihre eigenen Fingernägel werden allerdings aufwendig und filigran verziert. Während der gesamten Sitzung wird so gut wie kein Wort gewechselt. Die Kundin bedankt sich am Ende bei Beiden und gibt Trinkgeld. Noch während ihre Nägel gemacht werden, kommt eine weitere Kundin in das Geschäft, eine junge Frau, die gerne rote Fingernägel mit Weihnachtsmotiven (drei kleine Aufkleber pro Hand) hätte. Sie bekommt künstliche Fingernägel aufgeklebt, die an ihre Fingernägel angepasst, aufgeklebt, dann abgeschnitten, lackiert und verziert werden. Das Ganze dauert in etwa eine Stunde. Auch diese Sitzung verläuft fast wortlos. Gan und Tung tragen ganz normale Alltagskleidung, beim Abschleifen der Fingernägel (mit einer kleinen Maschine, die aussieht und klingt wie ein Bohrer beim Zahnarzt) setzen sie jeweils einen Mundschutz auf. Bei beiden Kund*innen werden viele Arbeitsschritte gebraucht. Säubern und pflegen der Fingernägel, abschneiden und abschleifen, gegebenenfalls künstliche Fingernägel aufkleben, lackieren, pfeilen, schleifen, aushärten, abpinseln, wieder pfeilen und schleifen (sowohl mit einer kleinen Maschine, als auch mit einer Nagelpfeile du einem kleinem, eichen Schleifstein), eine Schutzschicht auftragen, nocheinmal schleifen, abpinseln und eincremen.

[hier F6_4 einfügen: “Lena Nails: Eingang (Foto von P. Gredig)”]

An diesem Vormittag kommt noch eine dritte Kundin, der ein künstlicher Fingernagel abgebrochen ist, den sie sich reparieren lässt. Das dauert ca. 15 Minuten und wieder wird kaum gesprochen. Um 12.00 Uhr beginnt Tung zu kochen, im kleinen Raum hinter dem Nagelstudio ist eine kleine Küche. Gan erzählt mir, dass die beiden hier täglich kochen, meistens Reisgerichte. Um 12:30 gibt es Mittagessen und ich verabschiede mich.