Das größte lesbisch-schwule Stadtfest Europas fand 2019 in Berlin unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechts“ als ein Fest der Liebe gegen Diskriminierung und Rassismus statt. Das war eine gute Gelegenheit für uns, um den neuen Bücherbus der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg mit seiner Medienvielfalt vorzustellen. Der Bücherbus griff als geschützter Ort für Diskussionen und Begegnungen dieses Motto auf und fuhr so, umweltzonengerecht ausgestattet, den Bezirk Schöneberg an.
Neben den ca. 3.500 im Bus befindlichen Medien wurden „queere Medien“ aus allen Bereichen präsentiert (Sachliteratur, Romane, Erzählungen und Filme) sowie ein „queerer Medienkoffer“ vorgestellt. Auswahllisten für Literatur und Online-Filme (www.filmfriend.de) sowie ein dem Publikum öffentlich zugänglicher W-LAN–Anschluss rundeten das Angebot ab.
Burkhard Kajewicz, Leiter der Fahrbibliothek Tempelhof-Schöneberg
Was hat dir dein queeres Buch-Orakel zu sagen? Wie sieht deine ideale queere Bibliothek aus? Was sind deine que(e)ren Anfragen („que(e)ries“) an die Stadt? Solche und andere Fragen und Anregungen teilten wir an einem heißen Sommertag im Juli 2019, dem deutschen Pride Monat, mit den Besucher*innen des Lesbisch-Schwulen Stadtfestes in Schöneberg.
Indem die Besucher*innen des Stadtfestes Zitate aus queeren Büchern lasen, hatten sie die Möglichkeit, sowohl Literatur als auch sich gegenseitig zu begegnen, um das Gelesene im Anschluss mit ihrem eigenen Leben zu verbinden. Wir baten sie, in Paaren zusammen zu kommen, gemeinsam ein Zitat zu lesen und sich darüber auszutauschen. Danach teilten sie uns ihre Eindrücke über diese Begegnungen mit. Dabei kamen interessante, lustige und aufschlussreiche Unterhaltungen heraus. Darüber, was man unter „normal“ versteht, wie Dinge einfach „unter den Teppich gekehrt werden“ oder auch, wie unterschiedlich der Begriff „queer“ gedeutet werden kann. Die häufigste Reaktion darauf, wie gut die Buchzitate eigene Erfahrungen widerspiegelten, war der Ausruf: „this is relatable as f*ck“, was nur sehr sinngemäß übersetzt werden kann mit: „das trifft den Nagel auf den Kopf“.
Wer zu uns in den Bus kam, war so unterschiedlich wie die Stadt selbst – jung, alt, Menschen, die hier wohnen oder nur auf Durchreise sind, Leute mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen, queere Menschen und deren Angehörige. Eine ältere Besucherin brachte es auf den Punkt, denn das, was um den Bücherbus herum geschah, setzte genau ihre Vorstellungen von einer idealen queeren Bibliothek um: ein Treffpunkt, ein Wohnzimmer, ein Raum für Gemeinschaft, Kunst und Literatur. Nur einen Wunsch konnten wir ihr noch nicht erfüllen: Sie hätte gern die volle Kollektion ihrer lesbischen Lieblingsfernsehshow in der Bibliothek Schöneberg zur Verfügung. Die haben wir leider noch nicht. Dafür gibt es aber eine tolle Sammlung an queeren Filmen, die auf demStreaming-Dienst www.filmfriend.de kostenlos zur Verfügung stehen.
Irina Savu-Cristea/Paula Müller, Medienwerkstatt Encounters